(v.l.): Jens Koch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr, interviewt Malsore Mala, Referentin für internationales Recruiting, Auszubildende Dorarta Abazaj und Jens Fritsch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr Pflege, zu den Aktivitäten des Evangelischen Ausbildungsverbunds Ruhrgebiet.

29.11.2023

Von Bochum und dem Ruhrgebiet in die Welt

Nach Corona-Pause neu aufgelegter Buß- und Bettagsempfang der Diakonie Ruhr zeigt Bandbreite der Arbeit auf. Reger Austausch beim Stehempfang

Vertraut und doch ganz anders: Nach drei Jahren Corona-Pause hat die Diakonie Ruhr wieder ihren traditionellen Buß- und Bettagsempfang im Atrium der Stadtwerke Bochum gefeiert. Die festlich eingedeckten runden Tische waren verschwunden. Stattdessen erwartete die Besucherinnen und Besucher ein Stehempfang mit mobilem Büfett – agil und beweglich. Die zahlreichen Gäste aus Diakonie, Kirche und Gesellschaft nutzten die Gelegenheit zu anregenden Gesprächen und intensivem Austausch.

Praxisbeispiele aus verschiedenen Arbeitsfeldern zeigten auf unterhaltsame Weise, wie vielfältig die Bandbreite diakonischer Arbeit ist – in Bochum, im Ruhrgebiet und in der Welt. Denn bei aller Verwurzelung in der Region blickt die Diakonie Ruhr längst über Grenzen hinaus – auch zum Wohl der Menschen, die in ihren Einrichtungen leben.

Da ist zum Beispiel der Evangelische Ausbildungsverbund Ruhrgebiet, in dem die Diakonie Ruhr, die Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel und die Ev. Stiftung Augusta ihre Ausbildungsangebote im Sozial- und Gesundheitswesen bündeln. Da der lokale Arbeitsmarkt nicht ausreicht, rekrutiert der Verbund auch Auszubildende aus aller Welt. „Wir haben uns früh entschieden, auf Ausbildung zu setzen, um Menschen drei Jahre zu qualifizieren und an uns zu binden“, erklärte Jens Fritsch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr Pflege. Erfahrungen hätten gezeigt, dass die stationäre Langzeitpflege, in der die Diakonie Ruhr Personal benötigt, für fertig ausgebildete internationale Fachkräfte häufig nicht attraktiv sei.

Malsore Mala kümmert sich als Referentin um das internationale Recruiting des Ausbildungsverbunds. „Die Vielfalt der verschiedenen Kulturen, der Kontakt zu Menschen aus aller Welt ist sehr aufregend“, erzählte sie. Der schönste Moment sei, wenn die Kandidatinnen und Kandidaten nach Überwindung zahlreicher rechtlicher Hürden endlich ihr Visum erhalten, in Deutschland ankommen und ihre Ausbildung beginnen können. Eine, die es geschafft hat, ist Dorarta Abazaj. Die junge Frau kommt aus Albanien und ist seit zwei Monaten in Deutschland. „Ich freue mich über die Möglichkeit, die mir die Diakonie Ruhr gegeben hat“, betonte sie.

Auch Frederik Lucht hat seine Chance genutzt – allerdings ist er in Bochum geblieben. „Er sorgt mit dafür, dass der VfL in der ersten Liga bleibt“, sagte Frank Schöpper, Prokurist im Fachbereich Behindertenhilfe. Der Fernsehsender Sky hat einen Beitrag über den jungen Mann gedreht, der über ein Praktikum und einen Außenarbeitsplatz den Sprung vom Werkstattbeschäftigten zum Hausmeistergehilfen beim Bundesligisten geschafft hat. Dort ist er nun fest angestellt.

„In diesem Jahr sind insgesamt acht Beschäftigte aus der Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt gewechselt“, freute sich Frank Schöpper. „Das ist ein Top-Ergebnis.“ Doch dieser Erfolg zeige auch, dass Werkstätten für Menschen mit Behinderung als Teilhabemöglichkeit unverzichtbar seien. „Die Erwartungen auf dem ersten Arbeitsmarkt können nur wenige erfüllen.“ Dies unterstrichen die vier Beschäftigten Ahmed Benalla, Dennis Koch, Tanja Müller und Kirsten Ruppelt. Sie betonten, dass sie sich in der Werkstatt sehr wohlfühlten und dass diese als Angebot für Menschen, die sonst auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hätten, unbedingt bleiben müsse.

International und vielsprachig geht es beim Musikprojekt der Ev. Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Overdyck zu. Raps auf Deutsch und Arabisch, afghanischer Gebetsgesang und internationale Popsongs – ein Zusammenschnitt zeigte die Bandbreite auf. Mit zwei Koffern geht Niklas Waldschläger von Gruppe zu Gruppe und bietet den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, Musik zu machen. Dabei verbindet der Heilpädagoge seine Leidenschaft für digitale Musikproduktion mit seiner Arbeit bei Overdyck. Kreativität zu fördern ist nur eine Seite der Medaille. „Die Musik bietet ein emotionales Ventil, um Biografisches zu verarbeiten und das Selbstwertgefühl zu steigern“, erklärte Niklas Waldschläger. Das Musikprojekt wird durch die Förderstiftung „RuhrStifter“ der Diakonie Ruhr unterstützt.

Während die RuhrStifter Projekte für Menschen in der Region fördern, sendet die Diakonie Ruhr auch gezielt Hilfe in die Welt. Um Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, zu helfen, ist sie eine Kooperation mit der Caritas der Diözese Opole in Polen eingegangen. Seit Kriegsbeginn hat sie mehrfach Spenden überwiesen. Im Juni überbrachten die Vorstände der Inneren Mission – Diakonisches Werk Bochum bei einem Hilfstransport Hygieneartikel im Wert von über 16.000 Euro, besichtigten die Arbeit vor Ort und sprachen mit den Menschen. Ein kurzer Einspieler mit Bildern und Videoschnipseln erinnerte an den Tripp.

Hilfe ist nach wie vor dringend vonnöten: „Es stehen immer weniger Mittel zur Verfügung“, erläuterte Caritas-Direktor Arnold Drechsler in einem aufgezeichneten Videointerview mit Diakoniepfarrer Sven Pernak. „Die Hilfsbereitschaft ist gesunken.“ Gleichzeitig zeige sich immer deutlicher, dass die Geflüchteten – größtenteils Frauen mit Kindern – häufig hochtraumatisiert seien. „Wir haben deshalb mit unserer Trauma-Fachstelle überlegt, was wir tun können“, erklärte Sven Pernak. Um speziell Kinder dabei zu unterstützen, ihre traumatischen Erfahrungen aufzuarbeiten, möchte die Diakonie Ruhr das Buch „Powerbook – Erste Hilfe für die Seele“ in möglichst hoher Stückzahl nach Opole schicken. Es wurde vom Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Andreas Krüger verfasst und vor Kurzem ins Ukrainische übersetzt. An den Ausgängen standen deshalb Spendenboxen. Außerdem konnten die Gäste per QR-Code über das Portal der Bank für Kirche und Diakonie direkt online für das Projekt spenden. Online-Spenden sind weiterhin herzlich willkommen: https://www.kd-onlinespende.de/projekt-einbettung.html?id=890

Die Diakonie Ruhr ist mit über 60 Diensten und Einrichtungen sowie 3000 Mitarbeitenden in Bochum, Witten, Herne, Dortmund und Lünen präsent – und seit 1. November 2023 auch in Kamen. Schwerpunkte sind Altenhilfe, Behindertenhilfe, Suchtkrankenhilfe, Flüchtlingshilfe, Wohnungslosenhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe. Mit der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel bildet sie den Ev. Verbund Ruhr (EVR) mit über 5800 Mitarbeitenden. „Ich freue mich, wenn dieser Kreis noch größer wird“, blickte Jens Koch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr und EVR-Vorstand, nach vorn auf den geplanten Zusammenschluss des EVR mit der Ev. Stiftung Augusta und dem Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid. „Dann macht sich ein Team von fast 10.000 Menschen gemeinsam auf den Weg.“