(v.l) Luise Wolff, Eva-Lisa und Jule Weber sprechen beim Poetry-Abend über Sucht, Sprache und Selbstermächtigung.

22.09.2025

„Einer geht noch“ ist häufig ein Problem

Diakoniewoche in der Pauluskirche beleuchtete unterschiedliche Dimensionen des Themas Sucht. Gottesdienst schloss erfolgreiche Veranstaltungsreihe ab

Mit einem Gottesdienst hat das „Team für hier“ aus Diakonie-Ruhr-Familie, Ev. Kirche in Bochum und Augusta den Abschluss seiner Diakoniewoche in der Pauluskirche gefeiert. Zahlreiche Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen haben sich mit verschiedenen Aspekten des Themas Sucht beschäftigt. „Wir haben uns herausfordern lassen von diesen Themen und haben nach Gründen für die Sucht gesucht“, sagte Pfarrer Constantin Decker von der Ev. Kirchengemeinde Bochum.

„Einer geht noch“ lautete das Motto der Woche. „Wir allen kennen diesen Spruch, aber meist ist uns nicht bewusst, wie viele Menschen damit Probleme haben“, erklärte Diakoniepfarrer Sven Pernak. In einer Dialogpredigt begrüßte er Christoph und Manfred von den Anonymen Alkoholikern, die eindrucksvoll von ihrem Abgleiten in die Sucht und dem Weg hinaus berichteten. Beide sind inzwischen seit mehreren Jahrzehnten trocken, doch sie betonten, dass Alkoholismus eine Rückfallkrankheit sei. „Ich habe letztlich mein Leben abgegeben an den Alkohol. Alle zwei Stunden musste ich nachlegen“, erinnerte sich Christoph an seine Trinkerphase. „Heute bin ich wieder Herr meines Ichs.“

Sowohl für Betroffene selbst als auch für Angehörige suchtkranker Menschen bestand während der Diakoniewoche die Möglichkeit zum offenen Austausch im geschützten Rahmen. Bei einem offenen Frühstück für Menschen mit Suchterkrankung knüpften Betroffene neue Kontakte und tauschten sich mit Mitarbeitenden des Kontakt- und Beratungszentrums der Suchthilfe „Pavillon“ aus. Angehörige kamen an einem Nachmittag bei Kaffee und Kuchen mit Gleichgesinnten ins Gespräch. Bei einem Kunstworkshop, der von Mitarbeitenden aus dem Wohnheim Hustadtring für chronisch mehrfachbeeinträchtigte alkoholabhängige Menschen geleitet wurde, ließen Menschen mit Suchterkrankung ihrer Kreativität freien Lauf. Dabei entstanden wunderschöne Gemälde mit Acrylfarben in Fließtechnik.

Humorvoll, berührend und sehr persönlich: Bei einem Poetry-Abend über Sucht, Sprache und Selbstermächtigung setzten sich die Autorinnen Eva-Lisa und Luise Wolff kritisch mit dem Stellenwert von Alkohol in Medien und Gesellschaft auseinander. Dabei sprachen sie sowohl in ihren Textvorträgen als auch im Dialog mit Moderatorin Jule Weber offen über eigene Suchterfahrungen. Außerdem ging es um kreatives Schreiben als Ausdrucksform und Bewältigungsstrategie.

Dass leckere Getränke keinen Alkohol benötigen, erfuhren zahlreiche begeisterte Teilnehmende bei einem Mocktail-Workshop. Sie schnitten, mixten und dekorierten – und zauberten unter Anleitung von Lars Jerchel drei verschiedene promillefreie Drinks. Dabei erhielten sie attraktive Anregungen für die nächste eigene Party. „Singen tut der Seele gut“ hieß es bei einem musikalischen Nachmittag mit Fred Schüler. Der Bochumer Musiker, der als Reinhard-Mey-Interpret bekannt ist, gab zunächst einige Werke des berühmten Barden zum Besten. Darüber hinaus hatte er populäre Lieder anderer bekannter Künstler mitgebracht. Fast 50 begeisterte Teilnehmende sangen kräftig mit.

Begleitet wurde die Diakoniewoche von einer Ausstellung mit faszinierenden Bildern von Sebastian Schmidt und Andy Wiemer aus dem Wohnheim Hustadtring, die seit Anfang September in der Pauluskirche zu sehen war. Die beiden Künstler haben sich für die Diakoniewoche mit dem Thema Sucht auseinandergesetzt. Dabei spiegeln die Werke ihre persönlichen Geschichten, Gefühle und Perspektiven wider. Außerdem gab es im September an jedem Sonntag eine Chorandacht, die sich am anglikanischen „Evensong“ orientiert. Sie fand jeweils in einer Pflegeeinrichtung der Diakonie Ruhr statt und wurde von wechselnden Chören aus Bochumer Gemeinden und Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Kirchenkreis gestaltet.

Die Diakoniewoche sollte auch deutlich machen, dass Gemeinde vor Ort und Diakonie gemeinsam Kirche sind. Sie sind dem gemeinsamen Auftrag verbunden und geben die Liebe und Zuwendung Gottes, die sie selbst erleben, an andere weiter. Im „Team für hier“ aus Diakonie-Ruhr-Familie, Ev. Kirche in Bochum und Augusta engagieren sich mehr als 10.000 Menschen in Haupt- und Ehrenamt mit großer Leidenschaft für die Menschen in Bochum.