Die Kohle kommt per Fingerabdruck
Diakonie Ruhr entwickelt Automaten zur Auszahlung von Geldern für Menschen in Wohnheimen. Förderung durch Deutsche Fernsehlotterie und RuhrStifter
Marion Skotnik legt den Finger auf den Sensor. Ein kurzes Rattern – schon spuckt der „Kohlekumpel“ einen Fünf-Euro-Schein aus. Einfachste, intuitive Bedienung per Fingerabdruck – das zeichnet den Geldautomaten aus, mit dem Klientinnen und Klienten der Eingliederungshilfe der Diakonie Ruhr jetzt ihre Eigengelder abheben können. „Damit sind wir unabhängig von den Kassenzeiten“, freut sich Peter Bennemann. Statt dreimal in der Woche von 9 bis 11 Uhr – das sind die üblichen Zeiten, in denen Bewohnerinnen und Bewohner im Wohnheim ihr Geld holen können – kommen sie nun zu jeder Tageszeit an Bares.
Auch die Mitarbeitenden werden entlastet. Bei der Barkasse ist der Verwaltungsaufwand enorm. Jeder ausgezahlte Betrag muss quittiert, dokumentiert, korrekt zugeordnet und verbucht werden. Selbst kleinste Abweichungen in der Buchführung ziehen eine umfangreiche Fehlersuche nach sich.
Um den Aufwand zu reduzieren und zugleich mehr Flexibilität und Selbständigkeit für die Klientinnen und Klienten zu schaffen, hatte Burkhard Koch, langjährige Leitung des Wohnverbunds Psychiatrie der Diakonie Ruhr, die Idee, einen Automaten zu nutzen, der auch kleine Geldbeträge auszahlt und möglichst einfach und intuitiv zu bedienen ist. Doch ein solches Produkt gab es nicht auf dem Markt. Deshalb hat Burkhard Koch mit Nutzerinnen und Nutzern sowie Kooperationspartnern einen Prototypen entwickelt.
Das Gerät, das auf den schönen, zum Ruhrgebiet passenden Namen „Kohlekumpel“ getauft wurde, zahlt Beträge in kleinen Scheinen und sogar Münzen aus. In der Buchungssoftware ist hinterlegt, welche Person in welchem Zeitraum – täglich, wöchentlich oder monatlich – welchen Betrag erhält. Dabei handelt es sich um die sogenannten Eigengelder, die Bewohnerinnen und Bewohner für den jeweiligen Zeitraum zur freien Verfügung haben. Die Auszahlung erfolgt per Fingerabdruck und ist somit rechtssicher. Selbsterklärende Symbole und kurze, einfache Texte leiten intuitiv durch den Vorgang. „Für Menschen, die starke geistige oder psychische Beeinträchtigungen haben oder eine schwere Suchterkrankung, ist das ein großer Schritt der Verselbständigung“, erklärt Burkhard Koch. Die Software erkennt auch ob der für den jeweiligen Zeitraum vereinbarte Betrag bereits abgebucht wurde. Dann zeigt der „Kohlekumpel“ auf dem Bildschirm einen entsprechenden Hinweis an. Mitarbeitende müssen nur aktiv werden, wenn sich Auszahlungsbeträge und Zeiträume ändern oder neue Nutzende angelegt werden müssen.
Bei der Entwicklung wurde Burkhard Koch von Kooperationspartnern unterstützt. Expertinnen und Experten aus dem PIKSL Labor Düsseldorf, das digitale Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung fördert, haben Anregungen zur Gestaltung von Piktogrammen und Menüführung geliefert und untersucht, wie sich Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen mit der Bedienung zurechtfinden. Auch Bewohnerinnen und Bewohner aus Wohnheimen der Diakonie Ruhr wie Marion Skotnik und Peter Bennemann haben den Geldautomaten in der Entwicklungsphase ausgiebig getestet. Die technische Entwicklung haben Olaf Merkel von der Firma Teschma aus Lübbecke (Hardware) und sein Sohn Christian Merkel (Software, Programmierung Schnittstelle) mit viel Engagement begleitet.
Die Entwicklung des Geldautomaten kostete fast 100.000 Euro. Die Stiftung Deutsche Fernsehlotterie hat das Projekt mit knapp 80.000 Euro gefördert. Einen Teil des Eigenanteils hat die Förderstiftung „RuhrStifter“ der Diakonie Ruhr übernommen. Für die Deutsche Fernsehlotterie hat ein Filmteam in Bochum einen Beitrag über das Projekt gedreht. Der Spot soll voraussichtlich Ende November vor der Tagesschau ausgestrahlt werden.